«Ich glaube an die Innenstädte»

Der Tenor war klar: Wollen die Geschäfte eine Zukunft haben, brauchen sie einen Onlineshop. Eine bekannte Modekette zeigt nun: Es gibt ein Leben ohne Onlineshop.

Von Reto Liniger

Die Strategie von Bayard erstaunt. Seit Jahren frisst der Onlinehandel den Geschäften mehr und mehr Umsatz weg. Und was macht die Modekette Bayard? Sie eröffnet nicht etwa einen gigantischen Onlineshop, sondern schliesst ihren ausgerechnet im Corona-Jahr 2020.

Eine Trotzreaktion eines defizitären Modehauses? Keineswegs. Die Schweizer Modekette Bayard expandiert laufend, mittlerweile betreibt sie 93 Läden in der ganzen Schweiz – und schreibt durchwegs schwarze Zahlen. Das sagt die CEO Silvia Bayard in einem Interview mit der NZZ am Sonntag. 10 Jahre hat das Modehaus einen Onlineshop betrieben. Man habe viel Herzblut investiert, erzielte aber nie schwarze Zahlen. Und gewisse Abläufe «haben uns zu Tode geärgert», sagt Bayard im Interview. «60 Prozent der Ware haben die Kunden zurückgeschickt, oft in nicht gutem Zustand.»

Die drei Erfolgsfaktoren 

Also weg mit dem Onlineshop – Unternehmertum braucht Mut zu teils unkonventionellen Schritten. War dieser Schritt nicht kurzsichtig, das Business verlagert sich doch gerade ins Internet? «Das glaube ich nicht», sagt Bayard. Die Menschen sind soziale Wesen, sie gehen in die Stadt und die Läden, um sich dort zu treffen. Zwar verschwinden Läden in den Innenstädten, das hat Bayard erkannt. «Aber es entstehen auch neue Konzepte, etwa in Sachen Gastronomie.» Es bilde sich ein guter Mix heraus. «Ich glaube an die Innenstädte.»

Bayard ist überzeugt: «Online und stationär sind zwei völlig verschiedene Welten.» Was sind die Erfolgsrezepte der Bayard-Geschäfte in den Innenstädten? Folgende Punkte nennt Silvia Bayard im Interview:

 

  • Die Mitarbeitenden in den Geschäften sind entscheidend, sie sind das wichtigste Kapital. Verkaufen sei eine hohe Kunst. Eine gute Modeberaterin muss sofort erkennen, was der Kunde will. Das braucht Erfahrung. Hat die Beratung herausgefunden, was der Kunde will, muss sie ihm schnell die richtigen Waren präsentieren. «Unsere Mitarbeitenden müssen das ganze Sortiment zu 100 Prozent im Kopf haben.»
  • Die regionale Ausrichtung der Geschäfte. Jedes BayardGeschäft ist regional gestaltet: In Sierre ist Weinbau das Thema, in Bern gibt es ein YB-Stübli, im Hauptbahnhof Zürich ist es der alte Bahnhof.
  • Der Markenmix ist in jedem Geschäft unterschiedlich. Bayard richtet sich genau auf die Kundschaft aus. Die Kundschaft steht im Zentrum und wird umsorgt. So erstaunt es nicht: 70 Prozent der Kundschaft ist Stammkundschaft.