Künstliche Intelligenz bei Bewerbungen – ja, aber!

Immer mehr Personalabteilungen setzen auf Künstliche Intelligenz (KI), um die eingegangenen Bewerbungsdossiers zu sichten. Wie beurteilen Bewerberinnen den Einsatz von KI? Forscher von der Berner Fachhochschule haben Antworten und geben Tipps.

Von Andreas Sonderegger und Jenny S. Wesche*

Um Bewerbungsdossiers zu sichten, nutzen Personalabteilungen Künstliche Intelligenz (KI). Diese Praxis ist allerdings nicht unumstritten. Grundsätzlich gilt: Jobsuchende bewerten den Einsatz von Technologie bei Bewerbungsverfahren eher kritisch.

Experimentelle Studien zeigen aber differenzierte Haltungen der Jobsuchenden: Sie haben kaum Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von KI in der Vorauswahl, im sogenannten Screening. Aber sie nehmen es sehr negativ wahr, wenn KI auch im Bewerbungsgespräch eingesetzt wird. Hier misstrauten die Studienteilnehmenden dem Einsatz von KI. Warum?

  • Sie haben das Gefühl, auf die Entscheidungsfindung weniger Kontroll- und Einflussmöglichkeiten zu haben.
  • Sie fühlen sich nicht genügend wertgeschätzt, wenn sie nicht mit Menschen interagieren können.
  • Sie misstrauen den Fähigkeiten der KI.

Solche negativen Einstellungen könnten auch damit zusammenhängen, dass Jobsuchende meist (noch) keine Erfahrungen mit KI-basierten Personalauswahlverfahren hatten – es könnte aber durchaus sein, dass sich ihre negativen Einstellungen mit zunehmender Erfahrung ändern könnten.

Das sollten Unternehmen prüfen:

Die Art und Weise, wie Unternehmen rekrutieren, beeinflusst die Aussenwahrnehmung des Unternehmens und damit die Jobsuchenden. Prüfen Sie daher sorgfältig, ob und wenn ja, in welcher Phase des Auswahlprozesses Sie KI zur Prozessautomatisierung einsetzen. Unternehmen sollten die Kosten und die Validität der Auswahlverfahren berücksichtigen, aber sie dürfen dabei nicht die Reaktionen der Arbeitssuchenden und Bewerbenden vergessen.

Viele Jobsuchende bewerten den Einsatz von Künstlichen Intelligenz eher kritisch.

Dies belegten zahlreiche Ergebnisse aus der aktuellen Forschung auf dem Gebiet der automatisierten Auswahlverfahren. Zwar sei es anspruchsvoll und komplex, die Vor- und Nachteile bei den verschiedenen Verfahren in allen Phasen des Rekrutierungsprozesses zu bewerten. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich die Anstrengungen lohnen und beide Seiten gewinnen können.

 

Gemäss eines Reports des Karriereportals Monster hat sich der Anteil von digitalen Auswahlsystemen im Bewerbungsprozess zwischen 2017 und 2019 verdoppelt, rund 70 Prozent der Unternehmen nutzen laut Handelsblatt ein Applicant Tracking System.

 

Die Autoren*: 

Dr. Jenny S. Wesche lehrt und forscht am Arbeitsbereich Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der FU Berlin.

Prof. Dr. Andreas Sonderegger lehrt und forscht an der BFH Wirtschaft und ist Lektor an der Universität Fribourg. Zu seinen Forschungsinteressen gehören Kognitive Ergonomie, Human-Computer Interaction sowie Arbeits- und Organisationspsychologie.