Flexible Arbeitsformen: Das sind die rechtlichen Grundlagen

Immer mehr Unternehmen ermöglichen ihren Mitarbeitenden flexible Arbeitsformen: Remote Work, Flex Work oder Homeoffice. Eine Expertin und ein Experte* klären die vier wichtigsten rechtlichen Fragen: Arbeits- und Ruhezeiten, Arbeit am Wochenende, Vertrauensarbeitszeit, Arbeiten im Ausland. 

 

1. Arbeits- und Ruhezeiten

Viele Arbeitnehmende (und Arbeitgebende) wünschen sich mehr zeitliche und örtliche Flexibilität im Arbeitsalltag. Die Vorgaben des Arbeitsgesetzes (ArG) zu Arbeits- und Ruhezeiten gelten jedoch auch für flexible Arbeitsformen: In der Schweiz gilt die Zeit von 06:00 – 20:00 Uhr als Tagesarbeit und von 20:00 – 23:00 Uhr als Abendarbeit. In dieser Zeitspanne ist flexibles Arbeiten bewilligungsfrei möglich, wobei für die erstmalige Einführung von Abendarbeit eine Anhörung der Arbeitnehmenden notwendig ist. Das heisst: Die Arbeitgeberin (in der Regel vertreten durch die Geschäftsleistung) muss die Mitarbeitenden über die Absicht Abendarbeit einzuführen informieren. Die Zeit von 23:00 – 06:00 Uhr gilt als Nachtarbeit und ist nur mit Bewilligung der zuständigen Behörde oder der Verordnung 1 zum ArG erlaubt. Auch bezüglich Pausen und Ruhezeiten gelten bei flexiblen Arbeitsformen die Vorgaben aus dem Arbeitsgesetz.

2. Arbeit am Wochenende

Sonntagsarbeit ist auch bei flexiblen Arbeitsformen grundsätzlich verboten bzw. bewilligungspflichtig. Dabei dauert der Sonntag von Samstag, 23:00 Uhr bis Sonntag, 23:00 Uhr. Zusammen mit der täglichen Ruhezeit müssen am Wochenende mindestens 35 Stunden am Stück arbeitsfrei sein. Bei stärkerer Verbreitung und Normalisierung von flexiblen Arbeitsformen besteht die Versuchung, E-Mails oder nicht erledigte Aufgaben der vergangenen Woche am Sonntag zu bearbeiten. Vorgesetzte müssen hier einschreiten – und zwar nicht nur aus gesetzlichen Gründen, sondern auch, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen aufrecht zu erhalten.

3. Vertrauen und Verantwortung

Mit den flexiblen Arbeitszeiten kommt auch die Frage nach der Einführung von Vertrauensarbeitszeit auf. Diese bedingt wichtige Begleitmassnahmen: So sind Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Mitarbeiter*innen ein System zur Zeiterfassung bereitzustellen. Und die Mitarbeiter*innen müssen ihrerseits ihre Arbeitszeit erfassen. Auch das Einhalten der gesetzlichen Vorgaben zu Arbeits- und Ruhezeiten können die Unternehmen nicht gänzlich an die Arbeitnehmenden delegieren. Weder die Freiwilligkeit von flexiblen Arbeitsformen noch das Aufführen der gesetzlichen Vorgaben in einem Reglement, entbindet die Arbeitgebenden von ihrer Verpflichtung, das Einhalten der Arbeits- und Ruhezeiten sicherzustellen. Dazu müssen die Betroffenen mindestens einmal pro Jahr vom Unternehmen an die Vorgaben erinnert werden.

4. Grenzüberschreitendes Arbeiten

Dank flexiblen Arbeitsformen eine Arbeitswoche an die Ferien anzuschliessen, ist verlockend und gesetzlich grundsätzlich problemlos umsetzbar. Remote Work, nennt sich das. Das heisst: Vor oder nach den Ferien noch eine Woche aus den Ferien arbeiten. Dabei sind Datenschutzaspekte, ein sicherer Zugriff auf die Firmensysteme und die Unternehmenskultur eher zu beachten als Fragen zu Sozialversicherungen und Steuerverpflichtung. Heikler wird es, wenn Mitarbeiter*innen ihren (Zweit-)Wohnsitz im Ausland haben und vermehrt ausserhalb der Schweiz arbeiten. Innerhalb der EU/EFTA-Zone gilt für die Sozialversicherungen eine 25%-Grenze: Wenn 25% oder mehr der Arbeitsleistung am ausländischen Wohnsitz erfolgt, untersteht man den dortigen Sozialversicherungen. Diese Grenze wird bei Teilzeitangestellten bereits mit einem Tag Homeoffice pro Woche am ausländischen Wohnsitz erreicht. Wenn viele Mitarbeiter*innen im Ausland arbeiten und das Unternehmen somit einen erheblichen Teil seiner Wertschöpfung ausserhalb der Schweiz erarbeitet, kann zudem auch das Unternehmen im Ausland steuerpflichtig werden. In der Regel gibt es besondere Vorschriften für Grenzgänger*innen sowie für internationale Entsendungen.

Im Zweifelsfall eine kurze rechtliche Überprüfung

Rechtliche Herausforderungen von flexiblen Arbeitsformen sind mit guter Führung, interner Kommunikation und verantwortungsvollem Handeln der Beteiligten lösbar. Bei der Vielfalt an Konstellationen und Möglichkeiten lohnt sich aber eine juristische Überprüfung.

 

Die Autor*innen:

Michel Segesser bietet mit seiner Firma «Segesser - Strategy and Human Capital» Dienstleistungen im strategischen Personalmanagement sowie in Organisations- und Personalentwicklung für Unternehmen und Verwaltungen im In- und Ausland an. https://www.segesser-shc.ch

Andrea Gurtner leitet das Institut New Work am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule. Zu ihren Forschungsinteressen am Institut für Unternehmensentwicklung zählen Themen im Bereich HRM (Nachwuchssicherung in MINT-Berufen, Innovationsfähigkeit von KMU) und Teams (Kooperation in virtuellen Teams, Teamdiagnose und -entwicklung).