Mehr Mut, bitte!

Wir geraten immer wieder in Krisen. Es muss nicht immer eine Corona- oder eine Finanzkrise sein, es kann auch eine persönliche Lebenskrise oder eine Absatzkrise des Unternehmens sein. Wie sollen Firmen, Menschen oder Staaten in der Krise agieren? Zwei Bücher geben Aufschluss.

Von Reto Liniger

Wie sollen Staaten oder Firmen in der Krise reagieren? Es muss nicht immer eine Pandemie oder eine Finanzkrise sein, in denen der Staat stark gefordert ist. Unternehmen können in eine Absatzkrise oder Menschen in Lebenskrisen geraten.

Krisen haben für alle Akteure – ob Notenbanken, Staat, Industriebetrieb oder Menschen – eine gemeinsame Ausgangslage: Am Anfang herrscht Orientierungslosigkeit, weil Gewissheiten schwinden, weil Business as usual nicht mehr funktioniert, weil Erfahrungen an Wert verlieren.

Genau in solchen Momenten ist es wichtig, richtig zu reagieren. Wer in der Krise geschickt handelt, der wird erstens schneller wieder vorne sein und zweitens die Chance erhöhen vorne zu bleiben. Oder wie die ehemalige Top-Tennisspielerin Martina Navratilova es sagte:

„Um nach vorne zu kommen und dort zu bleiben, kommt es nicht darauf an, wie gut du bist, wenn du gut bist, sondern wie gut du bist, wenn du schlecht bist.“

Also, wie richtig in Krisen reagieren?

Wie es sich später herausstellen sollte, agierte in der Finanzkrise von 2008 der ehemalige US-Notenbankchef Ben Bernanke äusserst erfolgreich. Er schrieb nach der Krise ein Buch, dessen Titel zugleich Krisenrezept ist: „The courage to act“, der Mut zu handeln.

Natürlich vertritt er im Buch Erkenntnisse rund um die Geldpolitik. Andererseits vertritt er überspannende Erkenntnisse, die allen Akteuren in der Krise hilfreich sein dürften. Er wirbt er für ein risikobereites Mindset, eine mutige Geisteshaltung in der Krise.

 

«Die grösste Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird.»

  • Erstens, schreibt Bernanke, müssten die Entscheidungsträger zum Querdenken bereit sein. Er meint, in Krisen sollte man sich nicht an bestehenden Regeln orientieren, neue Lösungen sind gefragt, unkonventionelle Lösungen.
  • Zweitens, schreibt Bernanke, hätten Entscheidungsträger in Krisen sehr entschieden und energisch vorzugehen. Wer zaudert, wird die Krise kaum erfolgreich meistern. Wer Entscheidungen vertagt in der Hoffnung, dass in der Zukunft mehr Klarheit besteht, wird sicherlich nicht gewinnen. Denn in der Zwischenzeit läuft die Krise dynamisch weiter – und der Schaden wird von Tag zu Tag grösser.

Wer Mut hat, wird dafür belohnt! 

Angst, Verzagtheit und Schwerfälligkeit seien schlechte Ratgeber in der Krise, schreibt auch der Ökonom Moritz Schularick in seinem Buch «Der entzauberte Staat. Was Deutschland in der Krise lernen muss.» Mit Blick auf die Corona-Krise schreibt Schularick: «In einer instabilen und sich rasch ändernden Welt brauchen wir mehr pragmatisches Selbstvertrauen im Umgang mit Risiken.» Das grösste Risiko liege in einem mutlosen «weiter so»; so attraktiv und beruhigend sich das auch anfühlen möge, nach dem vertrauten Regelbuch zu handeln – letztlich gebe dies nur eine Scheinsicherheit.

Wenn hohe Unsicherheit besteht und keine Rezepte mehr greifen, ist es ein Rezept sich mit kleinen Schritten vorwärtszubewegen. «Wer nachts im dunklen Wald nichts sieht, rennt nicht blindlings los, sondern tastet sich langsam voran.» Sobald allerdings ein Licht zu sehen sei, welches die Rettung bedeuten könnte, sollte man alles daransetzen, es zu erreichen – energisch und entschieden.

Natürlich brauchen wir in der Krise auch Fachwissen, auf das wir zurückgreifen können. Schularick sowie auch Bernanke fordern aber vor allem ein risikobereites Mindset. Sie fordern: Mut eingefahrene Wege zu verlassen, Mut Neues zu wagen – pragmatisch, vorausschauend, agil und schnell.

In der Corona- oder der Finanzkrise lässt sich mit Blick auf das BIP sagen: Dort, wo Probleme nicht auf die lange Bank geschoben wurden, sondern beherzt und mutig gehandelt wurde, konnte schneller wieder von Aufschwung gesprochen werden. Mut zahlt sich in der Krise aus; das Mindset, mutige Entscheide zu treffen, geht uns aber mit zunehmendem Alter verloren, oder wie der Psychologe Alfred Adler schrieb: „Die grösste Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird.“