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100 Tage nach dem Wirtschaftsmonitoring – die globalen Auswirkungen auf den Wirtschafsraum Bern

Renato Flückiger
Vor gut 100 Tagen konnte das Center for Regional Economic Development (CRED) ein äusserst erfolgreiches Zeugnis für den Wirtschaftsraum Bern (WRB) ausstellen: Die Baugenehmigungen erfolgen rascher als in anderen Schweizer Agglomerationen und auch beim BIP pro Kopf zeichnete sich der Wirtschaftsraum Bern für das Jahr 2024 sogar als Spitzenreiter aus. Alles in allem eine sehr erfreuliche Situation.
Wirtschaftsraum Bern abhängig von den globalen Entwicklungen
Bereits in der Podiumsdiskussion wurde darauf hingedeutet, dass zahlreiche Einflussfaktoren auf die Schweizer Wirtschaft – und somit ziemlich direkt auch auf den Wirtschaftsraum Bern – von der globalen Konjunktursituation abhängig sein werden.
Rund 100 Tage später hat sich vermutlich für den Grossteil von uns diese Erkenntnis deutlicher bewahrheitet als erahnt. Die Auswirkungen der Handelspolitik von US-Präsident Trump sind überall zu spüren. Zumindest kurzfristig haben wir dies bei den stark schwankenden Aktienkursen erlebt.

US-Handelspolitik schwächt heimische Konjunkturdynamik
Und noch viel direkter haben es die Schweizer und Berner Unternehmen mit einem hohen Exportfokus in die USA zu spüren bekommen. Für sie sind die exponentiell angestiegenen Zölle häufig kaum tragbar und stellen eine existenzielle Bedrohung dar. Viele Unternehmen wissen derzeit nicht, wie sie auf die plötzlichen Veränderungen reagieren sollen, und erwägen, Lieferungen in die USA zu verschieben oder den Markt ganz aufzugeben. Die Unsicherheit betrifft jedoch nicht nur die direkten Zölle. Mindestens so gravierend für die Unternehmen ist die Unberechenbarkeit der politischen Rahmenbedingungen. Das ständige Hin und Her in der US-Handelspolitik erschwert die Planung und Investitionsentscheidungen erheblich. Unternehmen müssen sich fragen, ob sie weiterhin in den US-Markt investieren oder ihre Produktions- und Absatzstrukturen neu ausrichten sollen. Eine weitere Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang natürlich auch der starke Schweizer Franken dar. Dieser hat sich dieses Jahr gegenüber dem US-Dollar um nahezu 10% aufgewertet und schwächt damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Die Unsicherheit schlägt sich auch auf die Konsumentenstimmung nieder: Trotz insgesamt robuster Wirtschaft zeigen sich Konsumentinnen und Konsumenten mit Blick auf die Zukunft pessimistischer. Private Investitionen werden zurückgestellt oder entsprechend reduziert, und auch die Konsumausgaben dürften weniger schnell ansteigen.
Nahostkonflikt erschwert zusätzlich
Der eskalierende Nahostkonflikt, mit den jüngsten militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Iran, sorgt zum bestehenden Handelskonflikt für zusätzliche Unsicherheit an den Finanzmärkten und für die globale Konjunktur. Neben den üblicherweise kurzfristigen Auswirkungen auf Aktienkurse und Ölpreise, erhöht die angespannte geopolitische Lage das Risiko weiterer Störungen globaler Lieferketten und erschwert eine zuverlässige Marktprognose.
Unsicherheit belastender als Zölle selbst
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unsicherheit selbst – noch mehr als die Zölle an sich – das grösste Hemmnis für die Schweizer und Berner Unternehmen darstellt. Sie erschwert Investitionen, bremst das Wachstum und zwingt die Unternehmen dazu, sich auf eine instabile und schwer kalkulierbare Zukunft einzustellen. Eine rasche Rückkehr zu stabilen und verlässlichen Handelsbeziehungen, insbesondere mit den USA, wäre für die Schweizer Wirtschaft von zentraler Bedeutung.
Leichtes Wachstum anstelle Rezession
All diesen Widrigkeiten zum Trotz: Insgesamt bleiben die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft und den Wirtschafsraum Bern dennoch leicht positiv: Der private Konsum entwickelt sich solide, gestützt durch den Arbeitsmarkt, steigende Reallöhne sowie die anhaltende Zuwanderung. Gleichzeitig unterstützt die äusserst expansive Geldpolitik der Nationalbank. Risiken erkennen wir vor allem in der schwächeren Auslandsnachfrage und dem starken Schweizer Franken. Dies dürfte auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen spürbar bremsen. Wir erwarten für 2025 weiterhin ein Wachstum in der Grössenordnung von 1%. Das ist zwar im langfristigen Vergleich unterdurchschnittlich, doch weiterhin im spürbar positiven Bereich. Die Schweiz bewegt sich somit in einem Umfeld, das mit Unsicherheit behaftet ist, befindet sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht in einem Krisenszenario.
Wirtschaftsraum Bern mit robuster Struktur
Trotz all der Widrigkeiten: Die heimische Wirtschaft hat sich in der Vergangenheit als resilient bewiesen und hat bereits zahlreiche Herausforderungen überwunden. Sei es die Eurokrise oder auch der Umgang mit dem historisch starken Schweizerfranken. Ein zentraler Faktor für die relative Stabilität des Wirtschaftsraums Bern ist seine breit diversifizierte und im Vergleich weniger zyklische Branchenstruktur sowie der hohe Anteil der öffentlichen Hand. Empirisch zeigte sich diese Robustheit bereits während der Corona-Krise: Im Krisenjahr 2020 fiel der Rückgang des Bruttoinlandproduktes im Wirtschaftsraum Bern weniger stark aus als in anderen Schweizer Regionen. Unsere strukturellen, wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen werden uns unterstützen, auch diese Herausforderungen zu meistern.
Zum Autor: Renato Flückiger ist Chefökonom von Valiant