Alles über das Vertragswesen (3. Teil)

Wer ein Geschäft führt, muss sich um das Vertragswesen des Unternehmens kümmern. Zum Vertragswesen eines Unternehmens gehören nicht nur die Verträge mit Arbeitnehmenden, Kunden und Lieferanten sowie weiteren Dritten, sondern auch die Verträge, die das Unternehmen selbst und dessen Existenz, Führung und Erweiterung betreffen. Welche Verträge benötige ich überhaupt, damit mein Unternehmen existiert? Welche Verträge benötige ich, damit ich mein Unternehmen vergrössern kann? Kann ich auch nur einen Betrieb eines anderen Unternehmens erwerben?

 

Viele Nicht-Juristen vermeiden den Blick in die Gesetze. Aufgrund der zahlreichen Gesetzestexte und der stetig wachsenden Komplexität, ist dies verständlich. Gerade aber im Gesellschaftsrecht, aber auch im Steuerrecht oder Vertragsrecht, finden sich viele Regelungen, die verständlich sind und sich ein Blick ins Gesetz lohnt. Wer keine Textausgabe des Obligationenrechts besitzt, kann sich das Schweizerische Obligationenrecht sowie sämtliche weiteren Bundesgesetze online beschaffen. Auf dieser Seite können Gesetze mit Stichworten, Abkürzungen oder auch anhand von Themen gesucht werden. Wir möchten alle, die sich noch nie damit befasst haben dazu anhalten, sich einmal durch die Themensuche zu «klicken» und ein paar wenige Texte, die sie interessieren, zu lesen. Oft finden sich beispielsweise gerade im Gesellschaftsrecht auf den Webseiten der entsprechenden Ämter, wie beispielsweise des Handelsregisteramtes des Kantons Bern, hilfreiche Informationen zu diversen Gesetzesartikeln sowie Formulare und teilweise sogar Muster zum Herunterladen und Verwenden. Auch diverse Gerichte und Behörden in anderen Kantonen verfügen über solche hilfreichen Ausführungen, die heruntergeladen werden können.

Personengesellschaften – mit oder ohne Gesellschaftsvertrag?

Die einfache Gesellschaft ist in den Artikeln 530 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts geregelt. Sie dient dem Erreichen eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln. Sie benötigt mindestens zwei Gesellschafter. Oft bilden zwei oder mehrere Personen eine einfache Gesellschaft, ohne sich dessen bewusst zu sein oder einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden und im Todesfall eines Gesellschafters weiterhin zu existieren, ist jedoch der Abschluss eines kurzen schriftlichen Gesellschaftsvertrages dringend zu empfehlen. Dieser kann einzig die nötigsten Punkte regeln und für alles Weitere auf die Ausführungen im Schweizerischen Obligationenrecht verweisen und muss somit nicht aufwendig gestaltet sein. Wichtig ist ein solcher Vertrag deshalb, weil, sollte es unter den Gesellschaftern zu einem Streit kommen, oder ein Gesellschafter den Gewinn nicht mit den anderen teilen wollen, ein schriftliches Beweismittel für die Existenz dieser Gesellschaft besteht. Was passiert, wenn nicht jeder Gesellschafter gleichgrosse Beiträge leistet? Ist dann trotzdem jeder Gesellschafter intern in gleichem Ausmass an Gewinn und Verlust beteiligt? Die Antwort lautet: mangels anderweitiger schriftlicher Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag: «ja». Was passiert, wenn mehrere Personen eine einfache Gesellschaft bilden und sich über eine anstehende wichtige Entscheidung nicht einigen können? Sofern nichts Anderweitiges geregelt wurde, kann ohne Einstimmigkeit sämtlicher Gesellschafter kein Entscheid gefällt werden. Mehrheitsentscheide müssen vertraglich festgelegt werden. Auch in Bezug auf die Geschäftsführung können unterschiedliche Regelungen getroffen werden, mangels derer diese jedem Gesellschafter zusteht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Beendigung der Gesellschaft. Neben anderen Beendigungsgründen bewirkt der Tod eines Gesellschafters deren Auflösung. Damit muss die Gesellschaft liquidiert werden. Je nachdem hat dies fatale Folgen. Deshalb sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass in einem Gesellschaftsvertrag eine sogenannte Anwachsungsklausel vereinbart werden kann, womit der Teil des verstorbenen Gesellschafters dem überlebenden Gesellschafter zu Eigentum anwächst und lediglich ein entsprechender Forderungsbetrag in den Nachlass fällt. Der überlebende Gesellschafter kann somit das Geschäft weiterführen.

Die Kollektivgesellschaft ist eine Personengesellschaft bestsehend aus zwei oder mehreren natürlichen Personen, die unter gemeinsamer Firma ein Handels-, Fabrikations- oder andere nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben. Sie wird in den Artikeln 552 ff. OR geregelt. Auf die Kollektivgesellschafter unter sich, gelangen mangels anderweitiger Regelung, die Bestimmungen über die einfache Gesellschaft sowie die Regelungen der Artikel 557 ff. OR zur Anwendung. Es ist somit auch in dieser Konstellation trotz Formfreiheit essenziell, einen Gesellschaftsvertrag untereinander zu haben. Dasselbe gilt für die Kommanditgesellschaft, die ebenfalls den Personengesellschaften angehört, wobei mangels vertraglicher Regelung das Verhältnis der Gesellschafter unter sich nach den Regeln der Kollektivgesellschaft sowie den Artikeln 598 ff. OR erfolgt.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass bei den hiervor aufgeführten Personengesellschaften nebst dem Blick ins Gesetz der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages unter den Gesellschaftern ein «Muss» ist, um Klarheit untereinander zu bewirken und zu erhalten sowie künftige Streitigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die solidarische unbeschränkte Haftung der Gesellschafter in der einfachen Gesellschaft. Oftmals ist es den Beteiligten nicht bewusst, dass sie überhaupt eine einfache Gesellschaft betreiben. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass ein Gesellschafterverhältnis klar und schriftlich geregelt wird. Im Gegensatz zu den anderen Personengesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind, ergibt sich für Dritte, die mit einfachen Gesellschaftern Rechtsgeschäfte abschliessen keine Möglichkeit, deren Zeichnungsberechtigung zu überprüfen, womit ihnen dies auch nicht entgegengehalten werden kann. Für solche Geschäfte haften alle Gesellschafter und können, sofern im Gesellschaftsvertrag keine Vertretungsgrenzen, Limiten für Geschäftsabschlüsse etc. festgehalten wurden bzw. mangels Gesellschaftsvertrages intern auch nicht aufeinander zurückgreifen. Durch einen Gesellschaftsvertrag besteht zudem die Sicherheit unter den Gesellschaftern, dass dieser von ihnen allen akzeptiert und unterzeichnet wurde, womit eine explizite Zustimmung zu der darin geregelten Art der Zusammenarbeit eines jeden Gesellschafters vorliegt sowie ein Beweismittel.

Kapitalgesellschaften – welche Bedeutung haben die Statuten?

Die Kapitalgesellschaften unterliegen anderen Regelungen und zahlreichen Formvorschriften für die Gründung, während die einfache Gesellschaft durch den Akt des Zusammenwirkens und die Kollektiv- und Kommanditgesellschaften durch das Zusammenwirken gepaart mit einem Handelsregistereintrag bestehen. Im Gegensatz dazu haftet kein Gesellschafter einer AG oder GmbH persönlich mit seinem ganzen Vermögen, wobei für die GmbH den Vorbehalt statutarischer Nachschuss und Nebenleistungspflichten hier ausdrücklich vorbehalten wird. Für das Verhältnis der Gesellschafter einer AG oder GmbH untereinander sind nebst den Regeln des Obligationenrechts (Art. 620 ff. und 772 ff.) die Statuten massgebend. Diese sind denn auch für die Gründung dieser Gesellschaften zwingend. Heutzutage werden solche Gesellschaften häufig über Online-Angebote mit Minimalstatuten gegründet. Vorteilhaft dabei sind die tiefen Kosten. Nachteile sind sowohl die mangelnde umfassende Rechtsberatung sowie, dass regelmässig nur Minimalstatuten erstellt werden.

Der Mindestinhalt von Statuten besteht aus folgenden Elementen:

  • Firma
  • Sitz
  • Zweck
  • Aktienkapital bzw. Stammkapital
  • Liberierung des Kapitals
  • Stückelung der Anteile (Anzahl, Nennwert) sowie Art der Anteile
  • Einberufung der Gesellschafterversammlung
  • Stimmrecht der Gesellschafter
  • Verwaltung
  • Revision
  • Form der von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen

 

Statuten sind jedoch ein wichtiges Regelwerk für die Gesellschafter und die Gesellschaft. Sie können ausschliesslich durch die Gesellschafterversammlung festgesetzt und abgeändert werden.

In den Statuten können beispielsweise Konventionalstrafen bei nicht rechtzeitigem Leisten der Einlagen, die genehmigte und die bedingte Kapitalerhöhung, die Beschränkung des Stimmrechts und des Rechts der Gesellschafter sich vertreten zu lassen, Stimmrechtsaktien, Einstimmigkeit für gewisse Beschlüsse, qualifiziertes Mehr für vom Gesetz nicht vorgesehene Beschlüsse, Vorkaufsrechte, Konkurrenzverbote, Nachschusspflichten, die Beschränkung der Übertragbarkeit der Anteile der Gesellschafter welche auch für die Begründung einer Nutzniessung daran gilt, die Ermächtigung zur Übertragung der Geschäftsführung auf einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates oder Dritte, Partizipationskapital und vieles andere verankert werden.

Je nach Gesellschafterstruktur und Umfang von deren Beteiligung ist es wichtig, in den Statuten entsprechende Regelungen festzuhalten. Als Beispiel können unausgeglichene Machtverhältnisse unter den Gesellschaftern angeführt werden: Hat eine Kapitalgesellschaft z.B. zwei Gesellschafter und hält der eine 60% und der andere 40% der Gesellschaftsanteile ist es für denjenigen, der die Minderheitsbeteiligung hält wichtig, die Statuten entsprechend auszugestalten, sei dies anlässlich der Gründung oder in einem späteren Stadium, beim Kauf der Anteile, durch Änderung der Statuten. Beispielsweise kann eine ordentliche Kapitalerhöhung mangels anderweitiger statutarischer Bestimmung mit einem Mehrheitsentscheid beschlossen werden. Dafür ist nicht einmal ein qualifiziertes Mehr notwendig. Das Halten einer Sperrminorität nützt somit nichts. Durch immer wieder erfolgende Kapitalerhöhungen kann ein Mehrheitsaktionär, dem die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen, einen Minderheitsaktionär langsam unter die Sperrminorität bringen – d.h. dessen Anteile verwässern – oder ihn sogar ganz aus der Gesellschaft drängen, sofern dem Minderheitsbeteiligten nicht auch entsprechende Mittel zur Verfügung stehen. Im Endeffekt wird dieser seinen verbleibenden Anteil kaum verkaufen können und den anderen Gesellschafter auch nicht dazu bringen, diese zu einem entsprechenden Geschäftswert zu erwerben. Somit ist man dann Besitzer von Anteilen an einer Gesellschaft, in welcher man nichts mitzureden hat und die logischerweise möglichst keine oder geringe Gewinne abwirft. Ich als Notarin erlebe es häufig, dass Personen, die bei mir eine Gesellschaft gründen, sich dessen nicht bewusst sind. Es gibt viele andere solche Beispiele. Deshalb sind eine umfassende Beratung und gut durchdachte Statuten wichtig. Betroffen davon sind auch steuerrechtliche und buchhalterische Themen und Fragen, wie z.B. «zahle ich mir einen hohen Lohn oder einen hohen Gewinn aus?». Ein weiteres Beispiel ist die Vertretung eines Anteilinhabers an der Gesellschafterversammlung. Darf er sich ausschliesslich durch einen anderen Gesellschafter vertreten lassen oder durch einen beliebigen Dritten? Auch hier können unterschiedliche Regelungen getroffen werden. Nehmen wir beispielsweise ein Familienunternehmen. Wäre es sinnvoll, wenn nur Familienmitglieder, die selbst beteiligt sind, einander vertreten dürfen? Vielleicht werden unter den Gesellschaftern auch Geschäftsgeheimnisse diskutiert, da in vielen Familien-KMU’s der Verwaltungsrat aus Gesellschaftern zusammengesetzt ist und somit die Verwaltungsratssitzungen und Gesellschafterversammlungen oft nicht klar voneinander getrennt werden können.

Statuten regeln nicht nur das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern auch den Verwaltungsrat und die Revision. Auch hier gibt es diverse Möglichkeiten der Ausgestaltung, die in Minimalstatuten keine Beachtung findet. Hinsichtlich des Verwaltungsrates können statutarisch auch von der dispositiven Gesetzesregelung abweichende Bestimmungen erfasst werden, wie beispielsweise die Zusicherung eines Verwaltungsratssitzes an jeden Aktionär, die Wahl des Verwaltungspräsidenten durch die Gesellschafterversammlung, bei Stimmengleichheit eine andere Möglichkeit als den Stichentscheid durch den Vorsitzenden, die Ermächtigung an den Verwaltungsrat, die Geschäftsführung nach Massgabe eines Organisationsreglements ganz oder zum Teil an einzelne Verwaltungsratsmitglieder oder Dritte zu übertragen sowie die Pflicht der Geschäftsführung, bestimmte Geschäfte durch den Verwaltungsrat vorab genehmigen zu lassen.

In Bezug auf die Revision ist darauf zu achten, dass die Statuten einen Artikel enthalten, der einen möglichen Verzicht der Gesellschafter auf die Revision statuiert, so dass für den Fall eines Opting-outs nicht noch die Statuten angepasst werden müssen. Statutenanpassungen müssen immer öffentlich beurkundet und dem Handelsregister zur Eintragung angemeldet werden. Dies verursacht zeitliche und kostenmässige Aufwände.

Weitere gesellschaftsrechtliche Verträge kommen bei qualifizierten Gründungen und den Tatbeständen nach Fusionsrecht vor oder beim Kauf von Unternehmenszweigen. Schlagworte dazu sind unter Anderem «Share Deal» und «Asset Deal». Unter den Aktionären können zudem Aktionärbindungsverträge geschlossen werden. Im Zusammenhang mit den fusionsrechtlichen Tatbeständen sind auch die konzernrechtlichen Zusammenhänge von grossem Interesse. Nähere Informationen zu qualifizierten Gesellschaftsgründungen, Fusionstatbeständen, Aktionärbindungsverträgen sowie zum Konzernrecht finden Sie in den kommenden Artikel der Juristen unter «handelsrechtliche Verträge – Teil 7» und «Konzernrecht». Im Anschluss daran werden sich die Juristen dem prominenten Thema «IT-Verträge» zuwenden.