4-Tage-Woche – Arbeitswelt der Zukunft?

Weniger Arbeit, gleicher Lohn: Die 4-Tage-Woche macht es möglich. Doch wie wollen wir Arbeit in Zukunft überhaupt definieren?

Die Arbeitswelt befindet sich im Zeitalter der Digitalisierung im ständigen Wandel. Während orts-unabhängiges Arbeiten in vielen Unternehmen heute weit verbreitet ist, stand eine zentrale Komponente bisher kaum zur Debatte: Die Arbeitszeit. Mit dem Aufkommen der 4-Tage-Woche wurde die Diskussion um eine Anpassung der Arbeitszeit nun aber lanciert. Bei einer 4-Tage-Woche wird die bisherige, konventionelle Arbeitswoche von fünf auf vier Arbeitstage reduziert, ohne dabei Lohneinbussen zu erhalten. Die Vorteile dieses Arbeitsmodells scheinen die Nachteile bei Weitem zu überwiegen. Internationale Pilotprojekte aus Island, Japan, und Grossbritannien zeigen, dass sich die 4-Tage-Woche sowohl für Unternehmen wie auch für Mitarbeitende gleichermassen lohnt.

Mehr freie Zeit führt zu höherer Produktivität

Studien zu Auswirkungen der 4-Tage-Woche haben nachgewiesen, dass sich die Produktivität von Arbeitnehmenden mit verkürzter Arbeitszeit gleichbleibt oder gar verbessert. Da Arbeitnehmende über mehr freie Zeit verfügen, verbessert sich in der Regel ihre Work-Life-Balance, wodurch sie grundsätzlich ausgeruhter und zufriedener sind und seltener krankheitsbedingt bei der Arbeit fehlen.

Ineffiziente Arbeitsprozesse werden aufgedeckt

Unternehmen berichten bei einer Reduktion der Arbeitszeit auch von einer nachhaltigen Prozessoptimierung. Weil die Arbeit in kürzerer Zeit erledigt wird, werden fehlende und ineffiziente Prozesse einfacher sichtbar und lösen einen Anpassungsprozess bzw. systemischen Wandel aus.

4-Tage-Woche als Wettbewerbsvorteil

In vielen Berufszweigen herrscht ein grosser Fachkräftemangel, der oft auf eine Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung von Arbeitnehmenden und den effektiv vorherrschenden Arbeitsbedingungen seitens der Unternehmen zurückzuführen ist. Die 4-Tage-Woche erzielt bei der Rekrutierung von Fachkräften zumindest gegenwärtig eine gewisse Attraktivität und kann dazu beitragen, junge Talente längerfristig ans Unternehmen zu binden.

Auch eine Frage der Unternehmenskultur

Die Einführung einer 4-Tage-Woche geht weit über die Modellierung eines neues Arbeitsmodells hinaus: Sie setzt eine wandlungsbereite Unternehmenskultur voraus. Ein zentraler Aspekt dieser Kultur besteht in der Fähigkeit, Rollen neu zu denken und fest verankerte Wertehaltungen bezüglich der Arbeit an sich aufzubrechen. Führungskräfte, die 140% arbeiten und die alleinige Entscheidungskompetenz auf sich vereinen wollen, sind mit der 4-Tage-Woche genauso wenig kompatibel, wie Unternehmen, deren Geschäftsmodell vordergründig auf Arbeitszeit und Kontrolle anstatt auf Output und Vertrauen basiert.


Caroline Straub

Die 4-Tage-Woche verspricht viel und kann, sofern von Unternehmen zielgerichtet umgesetzt, auch mess- und sichtbare Erfolge vorweisen. Ob die 4-Tage-Woche das Arbeitsmodell der Zukunft sein wird, hängt von unserer Bereitschaft zur Neuinterpretation der Arbeit ab. Sie steht sinnbildlich für einen weitreichenden Kulturwandel, nicht nur auf individueller und betriebswirtschaftlicher Ebene, sondern ganz allgemein bezüglich der Frage, wie wir Arbeit in Zukunft definieren wollen.

 

Zur Autorin: 
Caroline Straub ist Professorin für Personalmanagement am Institut New Work der Berner Fachhochschule Wirtschaft (BFH)

Weiterführende Informationen
Gatlin-Keener, C. & Lunsford, R., (2019). «Four-Day Workweek: The Microsoft Japan Experience.» Fallstudie, Japan
Gudmundur, H. D., & Kellam, J., (2021). Going Public: Island's Journey to a Shorter Working Week. Fallstudie, Island: Alda & Autonomy
4 Day Week Global Foundation, (2022). Assessing global trials of reduced work time with no reduction in pay. Fallstudie, Grossbritannien