Aufblühen im Wandel

Wandel ist anstrengend, Veränderung macht Angst. Wie ist es möglich, aufzublühen, wenn kein Stein auf dem anderen bleibt? - Resilienz heisse das Zauberwort, meint der Wirtschaftsprofessor Alexander Hunziger

 

Wandel ist anstrengend, Veränderung macht Angst und Change muss gemanagt werden. Das wissen wir alle. Dafür muss niemand BWL studieren. Und sobald wir die Coronakrise überstanden haben, kommt wieder der Klimawandel zum Vorschein, die Digitale Revolution oder eine andere Umwälzung. Irgendeine Krise ist immer. Da wäre es doch schön, wir könnten es uns im Wandel gemütlich machen. Ist es möglich, aufzublühen, wenn kein Stein auf dem anderen bleibt? – Resilienz heisst ein Zauberwort der Gegenwart.

Resilienz bedeutet in einer minimalistischen Deutung, sich rasch wieder aufrappeln zu können nach einer Krise. Etwas zuversichtlicher interpretiert, bedeutet Resilienz, gar nicht erst krank zu werden, sondern leistungsfähig zu bleiben in der Krise. Die optimistische Interpretation von Resilienz ist allerdings nur wenigen bekannt, dabei ist sie besonders spannend. Sie heisst: Aufblühen im Wandel. Kann man das überhaupt? Und kann man das lernen? Ja. Man kann. Optimismus zum Beispiel ist lernbar. – Gut, wenn Sie heute ausgesprochen pessimistisch durchs Leben gehen, werden Sie keine Optimismus-Weltmeisterschaft gewinnen. Aber auch Sie können optimistischer werden. Oder mindestens etwas weniger pessimistisch. Die Wissenschaft hat viele Ratschläge dazu bereit. Ich verzichte allerdings darauf, sie hier zusammenzufassen. Nützen würde es ohnehin nichts, denn Ratschläge werden nicht vom Lesen wirksam, sondern erst vom Befolgen. Und das ist bekanntlich anstrengend. Was bereits vom Lesen wirksam sein könnte – wenn auch nur ein bisschen – sind Texte, die Möglichkeiten aufzeigen und «inspirieren». Pessimisten würden sagen: Träumereien. Na gut. Dann träume ich mal. Aber nicht davon, dass alles wieder wird wie früher, sondern dass ein neues Normal entsteht, dass besser ist als da alte.

Neunormal könne sein, dass wir Homeoffice-kompetent sind und daher ohne Vorgesetzte zu fragen selbst entscheiden, ob Homeoffice heute passt.

Neunormal könnte sein, dass wir kompetent sind in virtueller Kommunikation: Wir wissen, wann ein Treffen virtuell geht und wann wir auf einem Treffen vor Ort bestehen müssen. Und wir wissen, was zu tun ist, um die negativen Seiten von virtueller Kommunikation abzufedern.

• Neunormal könnte sein, dass wir uns nicht wieder wie Befehlsempfänger verhalten, sondern wie erwachsene Menschen, die mitdenken und mithelfen, damit gelingt, was insgesamt zu tun ist. So wie es am Anfang der Krise plötzlich möglich war. • Neunormal könnte sein, dass wir nicht wieder damit anfangen, nach perfekten Lösungen zu suchen, sondern Neues ausprobieren, sobald das Neue «einen Versuch wert» ist.

• Neunormal könnte sein, dass Führungskräfte uns anregen, mutig zu handeln. Und dass sie das nicht nur fordern und beim ersten Fehlerchen nach Schuldigen suchen, sondern uns unterstützen, damit der nächste Anlauf gelingt.

• Neunormal könnte sein, dass wir nicht mehr von «social distancing» sprechen, sondern von «physical distancing» und «social connection», weil wir gelernt haben, wie wichtig es ist, das eine nicht mit dem anderen zu vermischen.

• Neunormal könnte sein, dass wir jede Begegnung mit anderen Menschen als Geschenk empfinden und versuchen, diesen Moment zu wertschätzen, indem wir nicht vorausdenken, uns nicht von Kleinigkeiten ablenken lassen oder uns in eigenen Gedankengängen verlieren, sondern einfach freundlich und interessiert da sind. Dass wir immer wieder von Neuem zu schätzen wissen, was uns Facebook, Twitter und Instagram nicht wirklich bieten können: Menschliche Präsenz.

Aufblühen im Wandel, so meine Erfahrung, gelingt dann, wenn ich mir Zeit nehme, mir die positiven Seiten der Veränderung vor Augen zu führen und etwas in dieser Wahrnehmung verweile. Es kräftigt mich, um die schwierigen Seiten des Wandels gut zu bewältigen. Und es gibt mir die Chance, etwas Neues zu entdecken, das weiterzuverfolgen sich wirklich lohnt.

Prof. Dr. Alexander W. Hunziker ist Dozent am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule. Er trainiert Führungskräfte und Studierende in Achtsamkeit und Positiver Psychologie. Sein neustes Buch heisst «Positiv führen».